Schweinefütterung „anders“ (modern) denken
Die Agrar- und Veterinär- Akademie (AVA beschäftigt sich seit über 20 Jahren intensiv mit den Themen Tiergesundheit und nachhaltige Tierfütterung, auch um die Reduktion des Arzneimitteleinsatzes sicherzustellen.
Der Klimawandel, der mittlerweile auch deutlich in unseren Breiten sichtbar ist, bedingt neue und zusätzliche Herausforderungen für den Ackerbau und damit in Folge für die Tiere beim Einsatz von Futterkomponenten in der praktischen Schweinefütterung, Die Auswahl möglicher verfügbarer Futtermittel verändert sich zurzeit sehr stark. Weizen wird aufgrund seines Wasserbedarfs seine bisherigen „Vorteile“ verlieren, während zum Beispiel Roggen als trockenheitstoleranter an Einfluss gewinnt. Im AVA-Fütterungsseminar wurde deutlich herausgearbeitet, dass auch die bisherig genutzte Fläche von Futterweizen nicht durch Brotweizen, auch nicht teilweise, ersetzt werden kann, da die Backeigenschaften von unserem Grundnahrungsmittel Brot ganz besondere Qualitäten voraussetzen. Mittlerweile muss mehr und mehr Brotgetreide aus dem Ausland importiert werden, da die deutschen Anbauflächen nicht annähernd mehr, bedingt auch durch den Klimawandel, die Bodenqualitäten für dieses besondere Getreide liefern können. Der Klimawandel wird die Anbaufläche des Brotgetreides weiter reduzieren.
Es geht auch ohne Soja
Ein weiteres großes Thema der Schweinefütterung ist der Einsatz von Soja. Die in Deutschland verfütterten Sojamengen wurden in den vergangenen Jahren deutlich reduziert. Die Hauptrichtungen der Sojaexporte haben sich aus Süd- und Nordamerika in Richtung China verlagert. Auch wird beim deutschen Sojaimport verstärkt auf zertifiziertes Soja geachtet, um sich nicht dem Vorwurf der Regenwald-Abholzung auszusetzen. Und dann gibt es noch die Forderung nach Gentechnikfreiheit, was heute eine besonders große Rolle in der Milchviehfütterung spielt, aber mittlerweile auch in der Schweinefütterung an Bedeutung gewinnt.
Unzählige Versuche verschiedener landwirtschaftlicher Forschungseinrichtungen belegen, dass Raps ohne Leistungseinbußen das Soja im Schweinefutter hinreichend ersetzen kann. Vorbehalte, die vor vielen Jahren gegen die Futterkomponente Raps sprachen, sind heute mit neuen Rapssorten in keiner Weise mehr zutreffend; im Gegenteil: Die Futtermittelkomponente Raps kann Soja 100%tig ersetzen.
Neben Soja als Eiweißfuttermittel sind heute mehr und mehr auch heimische Körnerleguminosen wie Ackerbohnen, Erbsen oder Lupinen als Futterkomponenten in Schweinefutter zu finden. Die Einfuhr von günstigem Soja nach dem zweiten Weltkrieg verdrängten unsere heimischen Körnerleguminosen aus den Fruchtfolgen. Allerdings erleben sie heute eine gewaltige Renaissance – unter anderem durch das Greening. „Hierdurch ergeben sich auch andere Kosten-Nutzen-Relationen für den Einsatz von Körnerleguminosen in der modernen Schweinefütterung“, so Fütterungsexperte Dr. Gerhard Stalljohann in seinem Beitrag auf der AVA-Tagung. Da sich die hiesigen Anbauflächen aktuell noch in Grenzen halten, reagieren die Futtermühlen sehr zurückhaltend, was den Einsatz dieser Futterkomponenten entspricht. Mittlerweile beinhalten aber mehr und mehr Futterrationen von Eigenmischern die genannten Körnerleguminosen. Neue ertragssichere und proteinreichere Sorten werden einen ansteigenden Anbau forcieren.
Natürlich wurde auch die Fleischqualität des Schlachtkörpers durch den Einsatz „alternativer“ Futtermittel auf der AVA-Veranstaltung diskutiert. Der Agrarwissenschaftler Dr. Stalljohann verwies auf eine Vielzahl von Fütterungsversuchen, dass die Mastleistungen zwar etwas geringer seien, aber bei der Beurteilung der Fleischqualität wie Saftigkeit, Aroma, Zartheit, die mit Leguminosen gefütterten Tiere viel besser abschnitten. In Zeiten zurückgehenden und bewussteren Fleischverzehrs wird die Fleischqualität noch mehr an Bedeutung gewinnen, so Dr. Stalljohann. Zunehmen wird das Angebot an Nach- und Nebenprodukten aus der Lebensmittel- oder zum Beispiel der Bioethanolherstellung. Dies sei im Sinne der Nachhaltigkeit absolut zu begrüßen.
Die neue TA Luft
In Niedersachsen bereits erfolgreich praxiserprobt, wird künftig für größere Schweinebetriebe die Stickstoff (N)- und Phosphor (P)-reduzierte Fütterung Vorschrift sein. Die neue TA Luft (Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft) von August 2021, fordert in Kürze für alle Betriebe über 1.500 Mastschweineplätzen oder über 560 Sauenplätzen bzw. über 4.500 Ferkelaufzuchtplätzen eine N- und P-reduzierte Fütterung mit dem Ziel, die Emissionen (für große BImSch-Anlagen schon heute) zu senken. Jedoch auch hier gilt, dass wissenschaftlich ausgewertete Fütterungsversuche ausreichend bewiesen haben, dass eine leistungsgerechte Versorgung von Mastschweinen, Sauen und Ferkeln mit nährstoffreduzierten Futtern problemlos möglich ist, so AVA-Referent Dr. Manfred Weber, LLG Sachsen-Anhalt in Iden, auf der Fachtagung. Allerdings müsse noch mehr auf das Futter- und Fütterungscontrolling, in Zusammenarbeit mit den betreuenden Tierarztpraxen, geachtet werden. Da die so genannten „Sicherheitsreserven bzw. -zuschläge“ im Futter nicht mehr zeitgemäß sind, können bereits kleinste Veränderungen am und im Futter zu großen negativen Auswirkungen bei den Tieren führen. Die Tierbeobachtung und entsprechende Futteranalysen gewinnen also sehr an Bedeutung.
Antibiotikareduktion immer im Blick
Insbesondere zur Antibiotikaminimierung in der Nutztierhaltung mit dem „One Health-Gedanken“, wollen Tiermediziner und Humanmediziner gemeinsam gegen Antibiotikaresistenzen etc. vorgehen. Der Pathologe Dr. med. vet. Alexander Weiss (Münster), gab in einem interessanten und aufschlussreichen Übersichtsreferat das Krankheitsgeschehen unserer Schweine der letzten Jahre wieder. Aus diesem „Wissenspool“ kann immer wieder zurückgegriffen werden, um das Infektionsgeschehen der Betriebe immer im Auge zu behalten.
Natürlich ist die Grundvoraussetzung für gesunde und vitale Tiere, neben vielen anderen Faktoren, maßgeblich das Fütterungsmanagement im engeren und weiteren Sinne. Vor diesem Hintergrund muss die Tierernährung heute mehr denn je die Tiergesundheit stärken, sprich die Mikrobiota des Darms positiv beeinflussen. Dr. Stalljohann geht davon aus, dass die Fermentierung von Futterbestandteilen in der Schweinefütterung mehr und mehr an Bedeutung gewinnen wird. Steht dabei bislang die Fermentierung der Energielieferanten im Fokus, könnte es künftig auch um die Fermentierung von Eiweißfutter-Komponenten gehen. Die enthaltenen Aminosäuren werden durch eine Fermentierung nicht beeinflusst. Selbst antinutritive Substanzen können reduziert werden. Fermentiertes Futter verbessert generell die Nährstoffverdaulichkeiten und sorgt für ein homogenes Futter ohne Entmischungen und leistet durch die positive Stimulation des Mikrobioms einen positiven Beitrag zur Darmgesundheit.
Die Tiermediziner Dr. Eva-Maria Saliu und Prof. Dr. Jürgen Zentek, beides Tierernährer der Veterinärfakultät der Uni in Berlin, gingen schwerpunktmäßig auf die Ernährung kranker Tiere ein. Die positiven Wirkungen von z.B. Faserstoffen, Pro-, Prä-, Syn-, Post- und Psychobiotika, organischen Säuren und Enzymen, die das Wohlbefinden und die Leistung gesunder Tiere maßgeblich unterstützen, werden auch in Zukunft große Beachtung finden. Die beiden Berliner Tierernährer diskutierten den aktuellen Stand und zukünftige Lösungsversuche der Wissenschaften zur letztendlich positiven Stimulation des Mikrobioms.
In dieser zukunftsweisenden AVA-Veranstaltung diskutieren Tierärzte/-innen, Landwirte/-innen und Berater/-innen gemeinsam auf Augenhöhe bedeutsame Fütterungsthemen, die für die zukünftige Schweinefütterung und Schweinegesundheit der nächsten Jahre und wohl Jahrzehnte maßgeblich von großer Bedeutung sein werden. „Wir nehmen die Herausforderungen an“, so Gründer und Leiter der Agrar- und Veterinär-Akademie (AVA), Agrarwissenschaftler, Fachtierarzt für Schweine und Moderator der AVA-Tagung, Ernst-Günther Hellwig.
Die Tagenden konnten viel Neues Wissen aufnehmen und auch bewährtes Wissen bestätigt bekommen. Tierärzte, Landwirte und Berater waren einer Meinung, dass Fütterungsupdates dieser Art von großer Wichtigkeit sind.
Der Veranstalter, die Agrar- und Veterinär-Akademie (AVA) die Referenten aus Tiermedizin und Landwirtschaft und die teilnehmenden Tierärzte, Landwirte und Berater, evaluierten diese AVA-Veranstaltung als „sehr gute und erfolgreiche“ AVA- Fachtagung.
Weiteren Informationen zu AVA-Fortbildungen und interessanten News sind auf der AVA-Homepage www.ava1.de zu finden.
Die AVA ist eine Fortbildungsgesellschaft mit dem Ziel der Aus- und Weiterbildung und der Verteilung von Information für den landwirtschaftlichen und tiermedizinischen Bereich. Gleichzeitig ist die AVA ein Forum für Landwirte und Tierärzte, die die Herausforderungen der Produktion gesunder Nahrungsmittel in den nächsten Jahrzehnten in den Blick nimmt.
Ziel der Agrar- und Veterinär-Akademie ist es, die Probleme der modernen, nachhaltigen Landwirtschaft und Tierhaltung zu erörtern. Wir wollen gemeinsam Wege finden, um tiergerecht, praxisbezogen und verbraucherorientiert zu arbeiten. AVA-Fortbildungen helfen Arzneimittel einsparen! Ernst-Günther Hellwig, Gründer und Leiter der AVA, Steinfurt, Burgsteinfurt
Ernst-Günther Hellwig
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