BearingPoint und das Handelsblatt Research Institute beleuchten in ihrer neuesten Publikation die Nationale Wasserstoffstrategie der Bundesregierung und die damit verbundenen Herausforderungen, Risiken und Chancen bei der Umsetzung. Die Studie unterstreicht das große Potenzial des Vorhabens, macht aber auch deutlich, wie stark der Erfolg von zentralen Faktoren abhängt, wie beispielsweise dem Aufbau der notwendigen Infra- und Marktstrukturen für Wasserstoff.
Frei nach dem Motto „Wasserstoff wagen!“ treibt die deutsche Bundesregierung mit der Nationalen Wasserstoffstrategie die Entwicklung innovativer Wasserstofftechnologien voran und will den Markthochlauf in den kommenden zehn Jahren realisieren. Wie realistisch diese ambitionierte Initiative ist und welche Herausforderungen für die Umsetzung der Strategie noch gemeistert werden müssen, hat eine neue Studie der Management- und Technologieberatung BearingPoint und des Handelsblatt Research Instituts untersucht.
Großes Potenzial, große Herausforderungen
In der Wissenschaft gilt Wasserstoff seit langem als das Schlüsselelement für das Gelingen der Energiewende. Wasserstoff soll zukünftig als Energiequelle und Energiespeicher, als Medium für die Sektorenkopplung, als industrieller Grundstoff und als Baustein bei der industriellen CO2-Vermeidung eingesetzt werden. BearingPoint und das Handelsblatt Research Institute sehen eine große Chance für Deutschland, mit Wasserstoff die eigenen Klimaziele zu erreichen und weltweit zur Nummer 1 im Ausrüstungsgeschäft mit Wasserstofftechnologien zu werden. In ihrer Studie bewerten sie die Wasserstoffstrategie der Bundesregierung daher insgesamt positiv, sehen aber wichtige Bereiche zur Umsetzung der darin formulierten Ziele kritisch. Vor allem, wenn es um den gesamten Bereich der Marktbedingungen für Wasserstoff geht.
Maßnahmen im regulatorischen und rechtlichen Bereich unzureichend
Denn um Unternehmen einen passenden Handlungsrahmen für Investitionen zu geben, bräuchte es, so die Studie, vor allem Anpassungen im regulatorischen und rechtlichen Bereich – beispielsweise hinsichtlich Bundesnetzagentur, Energiewirtschaftsgesetz und Netzentwicklungsplan. Nur damit könnten Unternehmen ihre Geschäftsmodelle rund um das Thema Wasserstoff auch marktfähig entwickeln. Die Anwendungsgebiete für Wasserstoff sind vielfältig und umfassen alle Sektoren, in denen fossile Brennstoffe genutzt werden. Zu den relevantesten Branchen gehören dabei die Energiewirtschaft und die Automobilindustrie. So kann Wasserstoff als praktischer Stromspeicher fungieren und, über eine Brennstoffzelle betrieben, die Batterie bei Elektrofahrzeugen ersetzen.
Marion Schulte, Partner im Segment Utilities bei BearingPoint: „Der Energieträger Wasserstoff wird nicht zuletzt für die gesamte Mobilität von morgen eine entscheidende Rolle spielen. Die größte Hürde dabei ist der Ausbau der Infrastruktur sowohl für den Transport als auch die Distribution an den Endverbraucher. Einerseits zögern die Fahrzeughersteller in die Herstellung von Brennstoffzellenfahrzeugen zu investieren, ohne dass eine ausreichende Anzahl an Wasserstofftankstellen existiert. Auf der anderen Seite sind Energie- und Industriegasunternehmen nicht bereit, die notwendige Infrastruktur für Wasserstoff aufzubauen, bevor Brennstoffzellenfahrzeuge kommerziell genutzt werden. Diesen Teufelskreis kann nur der Staat mit entsprechenden Initiativen durchbrechen. Wichtig ist daher die Entwicklung und Umsetzung neuer Mobilitätskonzepte und Geschäftsmodelle.“ Hierbei gilt es auch, die Auswirkungen eines Wasserstoffmarktes auf die Strategie der Elektromobilität zu beachten und diese in Einklang zu bringen.
Forschungsgelder für Wasserstofftechnologie aufstocken
Die Studie betont darüber hinaus, dass für die Entstehung eines Wasserstoffmarktes die finanziellen Förderrungen des Bundes für die Forschung im Bereich Wasserstofftechnologie alleine nicht ausreichen würden. Dr. Sven Jung, Head of Economic Intelligence beim Handelsblatt Research Institute: „Es bestehen zusätzliche wirtschaftliche und infrastrukturelle Engpässe, die die Entstehung eines Wasserstoffmarktes erschweren. Zwei oft übersehene Herausforderungen sind dabei die Infrastrukturkosten und das Bezugsquellenrisiko. So ist beispielsweise das bestehende Gasnetz in Deutschland gar nicht für den Transport von Wasserstoff ausgelegt.“
Infrastrukturen zum Transport riesiger Mengen Wasserstoff nicht vorhanden
Nach Berechnungen könnten etwa 15 Prozent Wasserstoff zum Erdgas ins bestehende Rohrleitungssystem beigemischt werden. Doch da Wasserstoff unter deutlich höheren Druckverhältnissen transportiert werden muss, wäre ein großer Anteil mit der Kapazität der bestehenden Leitungen nicht vereinbar. Problematisch an der Beimischung wäre zudem, dass für die Industrie und den Mobilitätsbereich in der Regel reiner Wasserstoff benötigt wird. Entweder bräuchte es also neue Rohrleitungen für die zukünftigen Wasserstoffmengen, oder die Verteilung müsste alternativ per Schiene und per LKW erfolgen. Letzteres würde automatisch mehr Staus, mehr Lärm und höchstwahrscheinlich auch neue Emissionen bedeuten. „Realistisch bleibt daher eine eigene Wasserstoffleitung im europäischen Verbund. Entsprechende Pläne von Gasnetzbetreibern und Industrie liegen dafür auch bereits vor“, so Marion Schulte.
Geringer Wirkungsgrad
Ein großes Problem stellt laut BearingPoint und Handelsblatt Research Institute auch der Wirkungsgrad von grünem Wasserstoff dar. Der liege aktuell gerade einmal bei 30 Prozent, d.h. für eine Kilowattstunde Wasserstoffenergie müssten rund drei Kilowattstunden regenerative Energie aufgewendet werden. „Das ist nicht wirtschaftlich und selbst, wenn man dies tun möchte, würde selbst eine Verdoppelung der Erneuerbaren Energien (EE) nach aktuellem Stand dafür nicht ausreichen“, betont Dr. Sven Jung. Vor dem Hintergrund fehlender Flächen für einen derartigen EE-Ausbau und steigender Bürgerproteste sei dies, so BearingPoint und Handelsblatt Research Institute, ein eher unrealistisches Szenario.
Energiepartnerschaften mit anderen Ländern sollen helfen
Eine Alternative wäre, entweder Wasserstoff oder erneuerbaren Strom aus anderen Ländern zu importieren. In beiden Fällen müssten aber die Produktions- und Transportkapazitäten in diesen Ländern aufgebaut werden. Solche Energiepartnerschaften sind heute bereits der treibende Gedanke für die Umsetzung der Strategie. So entsteht beispielsweise in Marokko in Zusammenarbeit mit Deutschland eine Pilot-Anlage zur Herstellung von grünem Wasserstoff. Marion Schulte: „Wir begrüßen derartige Initiativen und empfehlen, die Integration und Etablierung in Deutschland in internationalem Maßstab zu planen und über internationale Initiativen aktiv voranzutreiben.“
Die vollständige Analyse zu den Auswirkungen der Nationalen Wasserstoffstrategie steht hier zum Download bereit: https://ots.de/elGJim
Die vorliegende Analyse ist Teil 2 einer vierteiligen Serie des Handelsblatt Research Instituts und BearingPoint zu den Auswirkungen verschiedener im Rahmen des Konjunkturpakets der Bundesregierung beschlossener Fördermaßnahmen.
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