Ihre Ergebnisse sind bedeutsam für Verfahren der Gentherapie und
für das Verständnis der Entartung von Zellen: Ein Forscherteam vom
Fachbereich Biologie der TU Darmstadt hat herausgefunden, dass die
Prozesse zur Reparatur von DNA-Schäden deutlich komplexer ablaufen
als bisher angenommen wurde. Dabei werden die Enden von Brüchen in
der Doppelhelix nicht einfach verknüpft, sondern in einem genau
choreographierten Vorgang erst so verändert, dass die ursprüngliche
Erbinformation wieder hergestellt werden kann. Die Ergebnisse wurden
jetzt in der Fachzeitschrift Molecular Cell veröffentlicht.
Die DNA als Träger unserer Erbinformation ist einer ständigen
Schädigung ausgesetzt. Beim schwerwiegendsten aller Schäden, dem
DNA-Doppelstrangbruch, werden beide Stränge der Doppelhelix gebrochen
und der DNA-Strang in zwei Stücke geteilt. Werden solche Brüche von
der Zelle nicht effizient behoben, geht wichtige Erbinformation
verloren, was oftmals mit dem Zelltod einhergeht oder zu bleibenden
genetischen Veränderungen und zur Entartung von Zellen führt. So
haben sich im Laufe der Evolution Reparaturwege für diesen
DNA-Schaden entwickelt, bei denen viele Enzyme zusammenspielen, um
die Erbinformation mit höchstmöglicher Präzision wiederherzustellen.
Nach heutigem Kenntnisstand gibt es zwei Hauptwege zur Reparatur
von DNA-Doppelstrangbrüchen, die sich allerdings in ihrer Präzision
sowie in ihrer Komplexität maßgeblich unterscheiden. Beim mutmaßlich
einfacheren Weg, der sogenannten nicht-homologen Endverknüpfung,
werden die Bruchenden möglichst schnell verbunden, ohne dass allzu
großer Wert darauf gelegt wird, die geschädigte Erbinformation
akkurat wiederherzustellen. Der zweite Reparaturweg, die homologe
Rekombination, benutzt dagegen die auf einer Schwesterkopie
vorliegende, exakt identische Information, um die geschädigte DNA
hochpräzise zu reparieren. Allerdings liegen solche Schwesterkopien
nur in sich teilenden Zellen vor, da die Erbinformation vor der
Zellteilung verdoppelt werden muss. Die meisten Zellen des
menschlichen Körpers befinden sich jedoch nicht in der Teilung und
sind daher auf den mutmaßlich fehlerhafteren Weg der Endverknüpfung
angewiesen.
Komplexe Reparatur von DNA-Doppelstrangbrüchen
„Hier setzt unsere Forschung an“, erklärt TU-Professor Markus
Löbrich, der sich mit seiner Arbeitsgruppe und Kollegen der
University of Sussex in England seit vielen Jahren dem Studium der
Reparatur von DNA-Doppelstrangbrüchen widmet. „Es erschien uns wenig
einsichtig, dass beim Reparaturvorgang der nicht-homologen
Endverknüpfung wichtige genetische Information verloren gehen soll.“
Die Forschungsteams untersuchten daraufhin – mit überraschendem
Ergebnis – die enzymatischen Vorgänge, die an den Brüchen vor deren
Verknüpfung ablaufen. Im Gegensatz zur bisherigen Lehrmeinung werden
die Bruchenden nämlich nicht einfach miteinander verbunden, sondern
durch spezielle Enzyme derart verändert, dass die durch den Bruch
verloren gegangene Information durch Zuhilfenahme einer Kopie
identisch repariert werden könnte.
Wichtig auch für die Krebsforschung
Diese Veränderungen an den Bruchenden – im Fachjargon „Resektion“
genannt – erinnern sehr stark an den Vorgang der homologen
Rekombination, bei dem eine Schwesterkopie als Matrize zur präzisen
Reparatur dient. Nur gibt es in nicht teilenden Zellen keine
Schwesterkopie der DNA, so dass bisher noch unklar ist, woher die für
die präzise Reparatur notwendige Kopie der Erbinformation stammen
könnte. Dennoch liefern die neuen Befunde eindeutige Hinweise darauf,
dass auch Zellen, die sich nicht teilen, DNA-Doppelstrangbrüche unter
Zuhilfenahme von Kopien der Erbinformation reparieren. Dieser Befund
ermöglicht auch Fortschritte bei Verfahren zur Gentherapie, wenn im
Falle von vorliegenden Erbkrankheiten Genfehler über eingeschleuste
Kopien gewissermaßen repariert werden sollen.
Studie:
Ronja Biehs, Monika Steinlage, Olivia Barton, Szilvia Juhász,
Julia Künzel, Julian Spies, Atsushi Shibata, Penny A. Jeggo und
Markus Löbrich: „DNA double-strand break resection occurs during
non-homologous end-joining in G1 but is distinct from resection
during homologous recombination“, in: Molecular Cell
http://dx.doi.org/10.1016/j.molcel.2016.12.016
Kontakt:
Fachbereich Biologie
Prof. Dr. Markus Löbrich
Tel.: 06151/16-24620
E-Mail: lobrich@bio.tu-darmstadt.de
MI-Nr. 08/2017, Löbrich/feu
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TU Darmstadt
Jörg Feuck
06151/16-20018
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