Renommierte Wissenschaftler und Ärzte haben bei
einem Treffen in München über die größte deutsche Krebsstudie PREFERE
diskutiert. Am Ende forderten sie den sofortigen Abbruch der Studie.
Die Experten verwiesen auf eklatante Fehler in Planung und
Durchführung sowie auf einen ungewöhnlichen Begleitumstand. Letztlich
auschlaggebend für das Scheitern sei die Weigerung der Patienten, an
der Studie teilzunehmen.
Als die Studie 2013 begann, wurden Superlative bemüht. Es sei die
wichtigste und größte deutsche Krebsstudie zum Prostatakarzinom. Sie
werde richtungsweisend für die zukünftige Behandlung sein. Die
Sponsoren hatten deshalb tief in die Tasche gegriffen. 23 Millionen
Euro stellten Deutsche Krebshilfe sowie die gesetzlichen und privaten
Krankenversicherungen bereit. Mit 7600 Prostatakrebs-Patienten war
die Frage zu klären: Was ist die beste Therapie beim lokal begrenzten
Prostatakarzinom? Untersucht werden sollten die Aktive Überwachung,
die äußere Bestrahlung, die innere Bestrahlung und die radikale
Prostata-Operation. Die Laufzeit der Studie war bis zum Jahr 2030
kalkuliert.
Nach nunmehr fast vier Jahren herrscht Katerstimmung. Die
Patienten wollen nicht an der Studie teilnehmen. Statt in vier Jahren
7600 Patienten für die Studie zu werben, werden es trotz aller
Versuche nicht einmal 400 sein. Wie konnte es zu dieser Pleite
kommen? In München trafen sich am 2. November 2016 acht renommierte
Wissenschaftler und Ärzte aus unterschiedlichen Fachdisziplinen, um
ohne Ansehen der beteiligten Personen und Institutionen über die
Fehler der Studie zu diskutieren.
Die Experten deckten eine ganze Fehlerkette von der Planung bis
zur Umsetzung auf. Zur Fragestellung der Studie wurde angemerkt, dass
sich diese inzwischen aufgrund neuerer Ergebnisse aus anderen,
internationalen Studien erledigt habe. Alle Behandlungsmethoden der
Studie gelten heute als gleich wirksam, jedoch sind die
Nebenwirkungen unterschiedlich. Eine Notwendigkeit, die Studie
fortzuführen, sei aus wissenschaftlicher Sicht nicht erforderlich.
Der größte Fehler bei der Planung war eine patientenferne Vorgabe:
Den Patienten sollte per Zufall eine der genannten Behandlungen
zugelost werden. Dabei war bereits aus anderen Studien bekannt, dass
ältere Männer mit Prostatakrebs ungern die Therapiewahl dem Zufall
überlassen.
Als weiteren Fehler stuften die Experten die große Bandbreite der
Therapien in der Studie ein. Es sei aus Patientensicht verständlich,
dass diese Schwierigkeiten mit der Studie haben. Der Patient kann
beispielsweise eine eingreifende Maßnahme wie die radikale Operation
oder keine Therapie (= Überwachung) zugelost bekommen.
Bei der Analyse der Beziehung von Studienleitung und Sponsoren kam
ein brisanter Umstand zur Sprache. Der heutige Vorstandsvorsitzende
der Deutschen Krebshilfe hatte sich von einem Studienleiter kurz nach
Beginn der Studie öffentlich mit einer hohen Auszeichnung ehren
lassen. Vergeben hatte den Preis „Förderer der urologischen
Wissenschaft“ die Deutsche Gesellschaft für Urologie, deren Präsident
im Jahr 2013 zufällig auch der Studienleiter war. Ein Unding! Seit
wann ehrt ein Fördergeld-Empfänger einen Fördergeld-Geber?
Der renommierte Wissenschaftler Professor Franz Porzsolt, der sich
einen Namen in der Bewertung von Therapien aus Sicht von Patienten
gemacht hat, fasste die Diskussion zusammen: „PREFERE ist letztlich
ein Experiment am Menschen. Aufgrund der unzureichenden Teilnahme der
Patienten kann das Studienziel nicht mehr erreicht werden. Daher ist
kein Erkenntnisgewinn mehr zu erwarten. Die Studie muss sofort
abgebrochen werden, um nicht weitere Patienten dem Experiment
auszusetzen.“ Dieser Forderung schlossen sich die anderen Experten
an.
Am 2. November 2016 fand im PresseClub-München eine Diskussion zu
o.g. Thema statt: http://ots.de/UHRRe
Moderation durch Dr. Walther Grohmann.
Teilgenommen haben folgende Personen (in alphabetischer Reihenfolge):
Prof. Dr. Rolf Harzmann, Augsburg
Prof. Dr. Dieter Hölzel, München
Prof. Dr. Franz Porzsolt, Ulm
Dr. Dr. Christiane Roloff, München
Dr. Reinhold Schaefer, Bonn
Dr. Jürgen Tacke, MPH (USA), Köln
Prof. Dr. Kurt Ulm, München
Prof. Dr. Lothar Weißbach, Berlin
Pressekontakt:
Prof. Dr. med. Lothar Weißbach
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